Medienkonsum
Liebe Eltern,
wir möchten uns heute mit einem Thema an Sie wenden, welches uns immer mehr Sorgen bereitet.
Seit einiger Zeit nehmen wir in unserem Kindergartenalltag immer mehr Spielinhalte und Gespräche bei den Kindern wahr, welche auf unangemessenen Medienkonsum zurückzuführen sind.
Ob „Squid Game“, „Chucky – die Mörderpuppe“, das Computerspiel „Fortnite“ oder ähnliche altersunpassende mediale Inhalte – sie alle haben ihren Weg in den Kindergartenalltag unserer Einrichtung gefunden.
Die Kinder verarbeiten diese Medieninhalte in Spiel- und Konfliktsituationen untereinander. Es handelt sich um eine Bandbreite von körperlicher und verbaler Aggression und Gewalt, die uns als Kindergarten-Team zu denken geben.
In diesem Anschreiben wollen wir versuchen, Ihnen einige Denkanstöße und hilfreiche Informationen mit auf den Weg zu geben, in der Hoffnung die angesprochenen Gewaltpotentiale zukünftig reduzieren zu können und allen an der Erziehung Beteiligten einen gewaltfreieren Alltag zu ermöglichen.
Wahrnehmung von Medien im Kindergartenalter:
Kinder nehmen Filminhalte und Computerspiele anders wahr als Erwachsene. Das Verständnis hängt von ihrer geistigen Reife ab. Auch Erfahrungen und Weltanschauungen spielen hierbei eine entschiedene Rolle. Auch Kenntnisse über sprachliche Bilder sind hier maßgeblich. Amors Liebespfeil wird nicht als Symbol der Liebe angesehen, sondern als ein bösartiger Angriff. Kinder nehmen Filme also ungefiltert und unreflektiert auf. Was auf der Leinwand passiert, ist wirklich passiert.
Warum Trickfilme und Spielfilme schnell überfordern können:
Drei- bis fünfjährige Kinder – je nach Entwicklungsstand und Medienerfahrung auch ältere Kinder – sind für das, was aus dem Fernsehen auf sie einströmt, sehr empfänglich. Sie bekommen schnell Angst und sie erleben und fühlen stark mit. Umso wichtiger ist es, dass Sie unbedingt auf eine alters- und entwicklungsgemäße Auswahl der Sendungen achten.
Selbst bei harmlos anmutenden Trickfilm-Serien wie „Heidi“ oder „Biene Maja“ reagiert manches Kind nachhaltig bedrückt, wenn etwas Dramatisches passiert, was sich nicht deutlich wieder auflöst. Beobachten und begleiten Sie deshalb Ihr Kind beim Fernsehen und schauen Sie sich die Sendungen möglichst gemeinsam an. So kann Ihr Kind direkt mit Ihnen über das reden, was es beunruhigt oder ängstigt.
Wichtig ist für Kinder in diesem Alter die schnelle Auflösung der Spannung in Entspannung und Humor. Wenn sich ihre Lieblingsfiguren aus Zeichentrickserien so in die Wolle kriegen, dass die Fetzen fliegen, reagieren die meisten Kinder deshalb fröhlich und nicht aggressiv. Denn sie wissen ja: innerhalb kürzester Zeit sind „SpongeBob“ und seine Freunde ja wieder ganz die Alten … Das gute Ende ist aber in jedem Fall unverzichtbar.
Beruhigt sich ein Kind allerdings auch dann nicht, wenn sich die Handlung eines altersgeeigneten Films wieder auflöst, weint es nachhaltig oder wirkt es extrem verspannt, eingeschüchtert oder aufgekratzt, ist es wahrscheinlich vom Film überfordert.
Auch Spielfilme mit vielen Rückblenden, mehreren Handlungssträngen, schnellen Dialogen oder ironischen Anspielungen können Kinder in diesem Alter nur schwer verstehen. Sie sind deshalb für dieses Alter noch nicht geeignet.
Welche Filme eignen sich objektiv für ihr Kind?:
Aus dem vorangegangenen Kapitel zum Thema Medienverarbeitung und Medienkonsum ergibt sich folgender Maßstab:
Für 3- bis 6-Jährige: Kurze, unkomplizierte Geschichten, die immer ein gutes Ende nehmen. Zusammenhalt und Freundschaft spielen eine große Rolle.
Für 7- bis 10-Jährige: Hier darf es richtig spannend werden. Außergewöhnliche Helden wachsen über sich hinaus und erleben Abenteuer.
Für 11- bis 13-Jährige: Gefallen finden starke Figuren und ein mitreißendes Erzähltempo. Themen wie das Streben nach Unabhängigkeit und abenteuerliche Bewährungsproben sprechen sie besonders an.(https://medienkompass.de/wp-content/uploads/2017/06/film-empfehlung-alter-kinder.png)
Doch was ist mit Kindern unter 3 Jahren?:
Eltern dieser Altersgruppe können sich gern unter nachfolgendem Link zu diesem Thema informieren:
https://www.kindergesundheit-info.de/themen/medien/medienwahrnehmung/0-3-jahre/
Wenn Kinder etwas sehen, das noch nicht für ihre Augen bestimmt ist:
Schnell kann es passieren, dass Kinder nebenbei etwas aus den Nachrichten mitbekommen oder durch den Algorithmus in Streaming-Portalen Clips sehen, die nicht für sie geeignet sind. Kinder haben zumeist ein unbestimmtes Gefühl, das ihnen bereits mitteilt, dass diese Inhalte nicht für sie geeignet sind. Sie haben allerdings noch nicht die Fähigkeiten, sich selbständig zu lösen. Nach so einer Situation bleibt oft ein schlechtes Gefühl auf beiden Seiten: Viele Erwachsene wollen die unangenehme Situation schnell hinter sich bringen und schämen sich vielleicht auch, während die Kinder viel zu verarbeiten haben. Das wichtigste in solchen Situationen ist es, Ruhe zu bewahren, den Kindern zu versichern, dass sie nichts falsch gemacht haben und ihnen dann die Möglichkeit bieten, darüber zu sprechen. Es kann sein, dass solche Medienerlebnisse Kinder noch lange und auch im Kindergarten beschäftigen. Offen zu bleiben für die Sorgen der Kinder auch in Bezug auf Erlebnisse mit digitalen Medien und Verarbeitungsprozesse zu ermöglichen, ist in solchen Fällen essentiell.
Verarbeitung im Spiel:
Im freien Spiel, vor allem in Rollenspielen, verarbeiten Kinder alles was sie beschäftigt um es für sich einzuordnen. Alltägliche Handlungen, wie zum Beispiel hauswirtschaftliche Tätigkeiten, besondere Ausflügen, aber auch Medienerlebnisse werden nachgespielt, in Gedanken verändert und der eigenen Situation angepasst.
„Ich bin wütend! Ich zerschlage jetzt alles wie mein liebster grüner Marvelheld!“
„Mir tut jemand weh? Ich bin ein Supermilliardär, der mit seinem roten Metallkampfanzug alles Ungerechte durch Gewalt lösen kann.“
Doch Kindern in diesem Alter fällt es schwer, solche Situationen adäquat einzuschätzen und von sich aus auch wieder daraus zu lösen. Auch aus rechtlicher Sicht ist dies schwierig, da Kinder so zu körperlichen Problemlösungsstrategien gedrängt werden. Wichtig ist deshalb immer eine gemeinsame Reflexion des gesehenen Inhaltes.
Querschnitt FSK / Jugendschutz:
Bei der FSK (Freiwillige Selbstkontrolle der Filmindustrie) handelt es sich um eine Gruppe von Experten aus Filmwirtschaft, Staat und kirchlichen Institutionen, welche sich um die Umsetzung von Jugendschutzgesetzen im medialen Bereich bemüht. Hierzu heißt es im Gesetzestext:
Zum Schutz im Bereich der Medien gehören
(1.) der Schutz vor Medien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen (entwicklungsbeeinträchtigende Medien),
(2.) der Schutz vor Medien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden (jugendgefährdende Medien),
(3.) der Schutz der persönlichen Integrität von Kindern und Jugendlichen bei der Mediennutzung […].
Wer sich also im öffentlichen oder privaten Raum nicht an diese Maßgaben hält, handelt gegen das Gesetz. Eine Ausnahme hierbei ist die Altersfreigabe FSK12, welche von Kindern ab sechs Jahren im Beisein ihrer Eltern geschaut werden darf.
Reflexion mit Kindern – Frage-Anstöße:
Wie bereits erwähnt ist es wichtig, Ihre Kinder mit medialen Eindrücken nicht allein zu lassen. Oft findet man durch einfache Fragen in ein Gespräch mit den Kindern und kann abschätzen, ob sie etwas oder was sie gerade beschäftigt.
Solche Fragen könnten sein:
- Was hast du gerade gesehen?
- Wie geht es dir damit?
- Was brauchst du, damit es dir wieder besser geht?
- Verstehst du etwas nicht?
Fazit:
Wir sind uns als Kindertagesstätte bewusst, dass Medien im Alltag „unserer“ Kinder eine große Rolle spielen. Uns ist auch bewusst, dass der Alltag im Rahmen der pandemischen Situation stark in die eigenen vier Wände verlagert wurde. Umso mehr möchten wir mit Ihnen gemeinsam nun alles dafür tun, um Ihren Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Seien sie sensibel dafür, welche Medien Ihre Kinder konsumieren und lassen Sie Ihre Kinder nicht mit medialer Überforderung allein.
Im Namen des gesamten Kita-Teams
Ihr Philipp Loewner
Pädagogische Fachkraft im Bereich BUNT
Quellen:
https://medienkompass.de/gute-kinderfilme-bleiben-im-gedaechtnis/ ,
https://www.kindergesundheit-info.de/themen/medien/medienwahrnehmung/ ,
https://www.gesetze-im-internet.de/juschg/__10a.html ,
https://www.kindergesundheit-info.de/themen/medien/medienwahrnehmung/3-6-jahre/ ,
https://www.kindergesundheit-info.de/themen/medien/medienwahrnehmung/0-3-jahre/ ,
https://medienkindergarten.wien/medienpaedagogik/kind-und-medien/verarbeitung-von-medienerlebnissen